Laufen bei Hitze – Praktische Tips für Training und Wettkampf von Sportmediziner Dr. Paul Schmidt-Hellinger

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Joggen bei Hitze oder generell Laufen an heißen Sommertagen stellt Training in einen völlig neues Licht. Es ist nicht nur mit einer veränderten physiologischen Reaktion des Organismus zu rechnen. Laufen bei Hitze kann schnell auch sogar eine ernstzunehmende gesundheitliche Bedrohung darstellen, wenn man nicht entsprechend damit umgeht. Wir verraten euch in diesem Artikel, wie ihr das Thema richtig einschätzt und für euch handhaben könnt.

 

Warum ist gerade Laufen bei Hitze kritisch?

Laufen ist eine Sportart, bei der wir sehr viele große Muskelgruppen aktivieren und eine hohe physikalische Leistung aufbringen müssen (verglichen z.B. mit Fahrradfahren). Der Wirkungsgrad unseres Organismus, also die Effizienz mit der wir erzeugte Energie in unseren Muskelzellen auch in kinetischer Energieform „auf die Straße bringen“, beträgt gerade mal 20-25%. Der Rest geht mehr oder weniger in Wärme verloren. Ein 70kg schwerer Läufer, der mit ca. 400 Watt kinetischer Laufenergie über 10km rennt, müsste also satte 1600 Watt Energie produzieren, 1200W davon als Wärme.

Der Körper verfügt über verschiedene Möglichkeiten, diese Wärme abzuführen, wobei Schwitzen hier die größte Bedeutung hat. Durch das Schwitzen kann der Sportler zwar Wärme abführen, aber es kann auch zur Dehydrierung führen. Wenn die Umgebung heiß und feucht ist, wird es schwieriger, die Wärme durch Konduktion und Konvektion abzutransportieren, und wir müssen uns verstärkt auf das Schwitzen verlassen.

 

Training bei Hitze

 

Wie schätze ich die Hitze beim Laufen richtig ein?

Heiß ist nicht gleich heiß! Hitze lässt sich am besten mit dem sogenannten Klimasummenmaß (sogenannte Wet Bulb Globe Temperature = WBGT) aus Trockentemperatur, Luftfeuchte, Strahlung (Sonne und Asphalt) und Wind beurteilen. Eine WBGT von ca. 30°C kann sich z.B. errechnen aus 38°C Lufttemperatur, bei 55% Luftfeuchtigkeit mit etwas Wind und viel Strahlung von der Straße. Hier wird z.B. wird generell keine härtere körperliche Anstrengung länger als 30min empfohlen und es wird geraten 1l Wasser zu trinken.

 

Wie beeinflusst Hitze die Laufperformance und das Lauftraining?

Obwohl ab einem gewissen Punkt relativ ineffizient, steckt der Körper bei Hitze deutlich mehr Energie in die Verteilung der Wärme (Konvektion). Gleichzeitig verliert der Organismus durch das verstärkte Schwitzen Flüssigkeit und damit auch wertvolle Mineralien. Das Blut wird etwas dicker, was mit einer der Gründe für den sogenannten „Cardiac Drift“ und ein erstes Anzeichen leichter Dehydrierung darstellt. Das Herz-Kreislauf-System muss mehr Arbeit verrichten um die Muskulatur mit der gleichen Menge an Sauerstoff zu versorgen. Die effektiv nutzbare Sauerstoffaufnahme sinkt. Verluste von 5-8% der effektiven VO2max sind keine Seltenheit. Dies beeinflusst vor allem die langen Ausdauerevents, während interessanterweise kürzere Läufe ggf. sogar von wärmeren klimatischen Bedingungen profitieren können wie eine Studie kürzlich zusammenfasste.

 

Laufen bei Hitze - Einfluss von Hitze auf die Laufperfomance

Quelle: Guy et al. (2015)

 

Was kann ich im Training vorbereitend tun, um Laufen bei Hitze besser zu vertragen?

Den Körper für das Laufen bei Hitze vorzubereiten ist ein sehr wichtiger Aspekt. Neben der Tatsache, dass man die adäquate Versorgung und Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit während des Laufens unbedingt schulen sollte, so gibt es auch ein paar Tricks zur „Abhärtung“. Generell gilt es den Körper häufiger dem „Stress“ durch die Hitze auszusetzen um ihn daran anzupassen. Eine neuere Studie konnte in diesem Zusammenhang z.B. zeigen, dass es eine Leistungssteigerung für spätere Läufe bei Hitze gab, wenn im Training zuvor regelmäßig NACH dem Lauftraining heiß gebadet wurde. Auch oder vor allem gerade wenn warme Temperaturen im Training vorlagen, kann der Körper hierdurch die Regulation der Körperkerntemperatur unter Last entwickeln.

 

Heiß baden als Abhärtung fürs Laufen bei Hitze

Quelle: „Beat the Heat“ von www.mysportsscience.com

 

Was kann ich während des Laufens bei Hitze machen um besser zu performen?

Mit maximaler Schwitzrate kann man zwar bei trockener Hitze etwas abkühlen, die beste Kühlung ist aber trotzdem immer noch kühles Wasser, was direkt Haut und Blut durch Wärmeleitung (Konvektion) herunter kühlt und zusätzlich noch Verdunstungskälte (Konduktion) entstehen lässt. Den Körperkern kann man durch Trinken kalten Wassers etwas kühlen. Hier können ebenfalls Kühlwesten helfen (vor Rennbeginn), welche extra für diesen Zweck entwickelt wurden. Maximales Precooling mit 5 Minuten Vollbad im Springbrunnen am Start haben unserem Sportmediziner neben einer degressiven Renngestaltung beim Rennen in Dresden das meiste gebracht.

Hier die wichtigsten Tips fürs Laufen bei Hitze im Überblick:

  • Mindestens 1l Flüssigkeit pro Stunde trinken, auf adäquaten Mineralgehalt (vor allen Natrium) achten!
  • Precooling unmittelbar vor dem Start mit Kühlweste oder Eisbad (kann auch ein Springbrunnen an der Rennstrecke sein)
  • wenig aktive Erwärmung (etwas dynamische Dehnung für meine Problemstellen, ein paar Sprünge für die Sehnensteifigkeit) und nur an einem schattigen, windigen Plätzchen
  • Degressive Renngestaltung
  • alle Getränke vorher eiskalt
  • Körper und Kleidung bei Erwärmung immer wieder mit kalten Wasser benetzen, um Schweiß zu sparen
  • Letzte Mahlzeit mit extra Kochsalz ( Salzkapsel oder bei mir gestern 50ml Gewürzgurkenwasser)
  • am Tag NICHT vorher schon den Sonnenbrand oder Hitzeermüdung holen
  • Kaltwasserbad innerhalb von 10 min nach Zieleinlauf oder Hitzekollaps/Hitzeerschöpfung schützen zu fast 100% vor Tod durch Hitzschlag (ja, das ganze kann ziemlich gefährlich werden!!!)

 

Paul Schmidt-Hellinger beim Precooling um in der Hitze zu laufen