Paul Schmidt-Hellinger: Profi Läufer, Aufstrebender Arzt, Familienvater… wie geht das?

7 Minuten

Hey Paul, erzähl uns doch zunächst mal ein wenig mehr über dich und deine Historie.

Mein Name ist Paul Schmidt-Hellinger, ich bin professioneller Läufer, Ehemann, Papa von 2 Kindern und außerdem Facharzt für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung Sportmedizin und der Qualifikationen Enährungsmedizin. Ich betreibe Laufen als Sport im Verein bzw. professionell seit 1997. Angefangen hat alles mit einer klassischen Leichtathletik-Karriere bis hin zur U23 Nationalmannschaft im deutschen Leichtathletik-Verband im Crosslauf und entwickelte sich dann langsam hin zum Straßenlauf mit einer Marathon Bestzeit von 2:19h, Halbmarathon Bestzeit von knapp unter 65 Minuten und einem deutschen Ultralauf Rekord über 50 km in 2:49h.

 

Paul-Schmidt-Hellinger-Arzt-und-Profiläufer

 

Wie schaffst du es Beruf, Familie und das Laufen immer unter einen Hut zu bekommen?

Es ist und war natürlich nicht immer leicht, aber ich bin immer konsequent meinen eigenen Modus gefahren, der für mich persönlich am besten funktionierte. Im Wesentlichen fokussiere ich mich wirklich ausschließlich auf die Dinge, die ich tun will und in gewisser Weise tun muss und entledige mich allem Unnötigen.

Ein entscheidender Punkt in meinem Leben war eine Erkenntnis, die ich im Jahr 2004 gewann. Ich hatte mir damals ausgerechnet, dass ich inkl. Wegzeit und Umziehen und so weiter ca. 3,5h Zeit (ver-)brauche um am Leichtathletik Vereinstraining teilzunehmen. Dort wurden im Grunde genommen ein paar spezifische motorische Übungen und ein 10km Dauerlauf gemacht. Da überlegte ich nicht lange und fand es damals schon entspannter, einfach nur ab und an „mal eben schnell“ 10 km laufen zu gehen und die Übungen in den Alltag mit einzubauen.

Über die Jahre ist Laufen für mich auch ein Mittel zum Zweck geworden oder anders ausgedrückt; die simpelste und gesündeste Art um von A nach B zu kommen. Heutzutage sind 80 % meines Lauftrainings entweder mein Arbeitsweg oder Betreuung unseres Nachwuchses beim Mittagsschlaf im Baby-Jogger. Ich glaube, wenn mehr Menschen ihr Auto konsequent abschaffen würden, dann würden sie sich keine Gedanken mehr machen müssen, über eine gewisse Anzahl an Schritten oder Trainingszeit. Oft ist die Lösung sehr nah und simpler als man denkt.

Die Zeit beim Laufen nutze ich persönlich sogar auf gewisse Art „doppelt“. Ich trainiere ich nicht nur meine physische Leistung, sondern kann sogar währenddessen mit meinem Kopf parallel was anderes machen. Bei den harten Einheiten, wovon ich aber tatsächlich relativ wenige mache, geht das natürlich nicht. Da hilft mir dann meine Lieblingsmusik, mich zu motivieren und durchzuziehen. Aber bei den meisten Läufen mache ich mir entweder den Kopf frei, oder nutze hier wieder die Zeit ganz bewusst, um mich mit etwas zu beschäftigen, z.B. für Prüfungen lernen, Sprachnachrichten hören und beantworten oder auch mal Telefonieren. So ist z.B. auch dieser Blog hier mit Raphael von Twaiv während eines Laufs entstanden ;).

 

Paul Schmidt-Hellinger beim Training mit Babyjogger

 

Verfolgst du aktuell persönliche Ziele? Im Leben, wie im Laufen?

Für mich gehört Laufen quasi zu meinen Grundbedürfnissen wie Essen und Schlafen d.h. das wird immer ein Teil meines Lebens bleiben.

Ich setze mir ab und an neue Ziele. Die müssen heutzutage vor allem zu meinem allgemeinen Zielen im Leben passen. Aktuell stecke ich in einer intensiven Elternphase mit kleinen Kindern, da halte ich die ganz großen Laufziele etwas zurück gesteckt. Aber ich halte mich fit und weiß aus Erfahrung, dass die Blüte der Leistungsfähigkeit auf den Ultra-Langdistanzen oft erst Anfang 40 eintritt. Da halte ich mir noch vor, vielleicht noch mal anzugreifen und Bestleistungen zu erreichen.

Privat strebe ich gerade meinen zweiten Facharzt für Pulmologie an und möchte ebenfalls noch die Zusatzbezeichnung der Intensivmedizin erlangen. Perspektivisch bin ich aber nicht der Mensch, der eine steile Karriere als Arzt anstrebt. Ich habe irgendwann in meinem Leben andere Prioritäten gesetzt und kann mir gut vorstellen, mich in einigen Jahren im Raum Berlin als Arzt niederzulassen und Zeit mit meiner Familie zu genießen.

 

Paul Schmidt-Hellinger beim Training als Profiläufer

 

Haderst du manchmal damit, dass du auf der Ebene Karriere oder Sport hinter deinen Möglichkeiten bleibst und denkst, du hättest an gewissen Stellen mehr leisten können bzw. sollen ?

Im Leben muss man sich ja immer irgendwie entscheiden und auch bei mir gibt es diese Momente, klar. Psychologisch würde ich das als Appetenz-Konflikt bezeichnen und auch wünschte mir oft, mein Tag hätte deutlich mehr als 24 Stunden.

Ich hab mein Leben aber immer sehr bewusst so aufgebaut, dass es auf vielen verschiedenen Säulen liegt. Wenn’s dann halt auf der einen Säule mal nicht so läuft, dann gibt es da eben immer noch die anderen Säulen, auf die man sich dann stützen kann. Das sollte natürlich nicht zur grundsätzlichen Ausweichtaktik werden und auch ich bin der Überzeugung, dass man sich im Leben immer mal durch die eine oder andere unangenehme Situation durchkämpfen muss, um eine gewisse Balance zu wahren. Aber im Kern, war immer meine Grundeinstellung, dass ich immer eine Alternative habe, über die ich mich freuen und woraus ich Erfüllung für mich gewinnen kann, statt mit der Stagnation oder Enttäuschung zu hadern.

 

Was würdest Du Menschen gerne mitgeben, die mit dem Laufen anfangen wollen, aber oft Probleme haben, sich regelmäßig Zeit dafür zu nehmen bzw. aufzuraffen?

Also mein absolute Empfehlung für alle, die nicht im Home Office arbeiten, wäre den Arbeitsweg zu nutzen. Es erfordert eine gewisse initiative logistische Umstellung, die aber, wenn einmal eingerichtet, unumstößlich funktioniert, da man einfach jeden Tag wieder zur Arbeit kommen muss. Irgendwann denkt man da garnicht mehr lange drüber nach. Man kann situativ sowohl Hin- als auch Rückweg laufend gestalten und verliert effektiv keine Zeit.

Allen Menschen, die im Home Office arbeiten, würde ich empfehlen, nach einem ähnlichen Mechanismus zu suchen. Laufen einfach an ein fixes und regelmäßiges Event knüpfen. Das kann eine fixe Mittagspause sein, die man mit Laufen füllt oder vielleicht sogar ein Meeting, was man mit anderen zusammen aktiv gestaltet.

Unter dem Aspekt der Motivation wird es hier etwas komplizierter, denn eine Mittagspause ist schnell verschoben, ein Meeting schnell doch am Schreibtisch gemacht. Da kann ich nur sagen, dass es extrem stark sein kann, andere Lauf Buddies oder Gleichgesinnte zu finden, mit denen man diese Verabredungen verpflichtend eingeht. Wenn dann noch effektives Training dazu kommt, also die Frage geklärt ist, was an Tag x genau das richtige Training wäre, ist die Hürde, sich aufzuraffen und laufen zu gehen, nur noch sehr klein.

 

Paul Schmidt-Hellinger Läufer, Sportarzt und Familienvater

 

Was bedeutet für dich „richtiges“ Training?

Das ist eine gute Frage.

Richtiges Training bedeutet natürlich auf der einen Seite, dass man mit dem Training sein Ziel, also den gewünschten Trainingseffekt erreicht. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch wichtig und eben „richtig“, dass man sich die meiste Zeit in seinem Körper wohl fühlt und nicht permanent zu müde oder zu erschöpft ist.

Am Ende ist letztlich beides relevant. Das eine eher kurzfristig, das andere eher langfristig. Ich kann zwar kurzfristig im Training etwas „drüber“ gehen und damit stärkere Fortschritte „erzwingen“, aber langfristig wird mich das zu sehr fordern (physisch oder psychisch) und ich werde vermutlich irgendwann komplett aussteigen.

 

Paul Schmidt-Hellinger als Teil des Twaiv Teams

 

Was war für dich ausschlaggebend bei Twaiv mitzuwirken und das Projekt zu unterstützen?

Das ist ein gutes Beispiel für das Thema Prioritäten setzen und auch gewisse Dingen in meinem Leben nicht anstreben können bzw. wollen. Ich steckte immer in meinen vielen Rollen als Arzt, Familienvater und Sportler… und trotzdem habe ich über all die Jahre immer auch sehr viele Anfragen bekommen, doch einen Trainingsplan zu schreiben oder Trainingstipps zu geben. Das fiel mir immer schwer, weil ich als Mensch von meiner Natur her durchaus motiviert bin, Menschen zu helfen. Aber ich hatte und habe leider nie die Kapazitäten, diesem Bedürfnis für individuelle Personen nachzugehen. Damit musste ich leben, bis sich die Möglichkeit ergab, über Twaiv mein Wissen und meine Expertise in ein Projekt mit hinein zu geben. Das war die beste Möglichkeit, all das, wofür ich stehe größtmöglich zu verteilen und auf diese Weise smart einzusetzen, so dass am Ende die meisten Menschen davon profitieren können.

 

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