Laufen mit gutem Gewissen – Eine neue Perspektive von und mit Runamics

7 Minuten

Laufen bedeutet für viele Menschen so viel, aber es kann auch Stress auslösen. Gerade das Training nach Trainingsplan setzt einen manchmal unter Druck. Man will ja aber auch seine Ziele erreichen… oder nicht?

Wir bei Twaiv glauben, dass wir bei der Frage nach dem „besten“ Training auch miteinbeziehen müssen, was Spaß macht, was umsetzbar ist und was einen den nächsten Schritt nach vorne gehen lässt. Denn nur das ist nachhaltig.  Jeder Effort, der längerfristig mit „sich quälen“ zu tun hat, wird früher oder später dankbar fallen gelassen werden. Und wir sollten bei all dem „Hustle“ nicht vergessen, dass es darum geht uns etwas „Gutes“ zu tun, dass uns dabei hilft, uns besser zu fühlen… auf allen Ebenen!

Genau so wie wir nachhaltig etwas Gutes für uns tun wollen, so wird auch das Bewusstsein darüber immer geschärfter, was wir mit unserem Tun bei den Menschen und Umwelt um uns herum anrichten. Laufen braucht im Grunde nicht viel, trotzdem wollen wir immer mehr…

…und haben dabei glaube ich nicht immer das beste Gewissen. Hierüber haben wir mit Henning Heide von Runamics gesprochen.

 

 

Henning, was bedeutet für dich Laufen mit gutem Gewissen?

Für mich beginnt es bereits mit Offenheit. Ich bewerte Läuferinnen und Läufer nicht nach ihrem Tempo, ihrer Kondition, den wöchentlichen Kilometern, ihrem Stil und schon gar nicht nach ihrer Hautfarbe oder sexuellen Orientierung. Eine der vielen Dinge, die ich am Laufen so sehr liebe, ist die Tatsache, dass Menschen mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten dennoch gemeinsam Sport treiben können – solange sie aufeinander eingehen. Eliud Kipchoge könnte mit mir einen Trainingslauf machen, und auch wenn er sich wahrscheinlich während des Laufens die Schnürsenkel binden könnte und ich völlig außer Atem wäre, würden wir dennoch etwas gemeinsam machen. Diese Kraft sollte man nie vergessen.

Durch das Laufen habe ich Menschen kennengelernt, die ich sonst niemals getroffen hätte, und ich habe sie alle nur danach sortiert, ob ich sie mag oder nicht, nicht danach, was uns unterscheidet. Beim Laufen hinterlassen wir auch einen geringen ökologischen Fußabdruck – keine Reisen erforderlich, kein herausragendes Equipment, eher geringe Barrieren für viele Menschen, unabhängig von Alter, Gewicht, Einkommen oder Sozialisation. Und das finde ich spannend. Bei Trailruns möchte ich möglichst wenig von der Natur zerstören, werfe keinen Müll in die Gegend und fand es irgendwann nur naheliegend, mich damit zu beschäftigen, dass Sportbekleidung größtenteils aus Erdöl hergestellt wird, eine enorme Menge an Abfall erzeugt und bei jedem Tragen sowie Waschen Mikroplastik abgibt. Im Vergleich zu anderen Industrien mag das geringfügig sein, im Vergleich zum Reifenabrieb von Lastwagen und Autos marginal. Aber wenn man bedenkt, dass 2021 das weltweite Marktvolumen 295 Milliarden Euro war und ein absoluter Großteil davon dreckig produziert wird, dann war es dringend nötig, auch hier endlich Alternativen aufzubauen.

 

Was sollte deiner Meinung nach jeder wissen bzw. bedenken, bevor er „konsumiert“?

Als Erstes: Weniger konsumieren. Es ist paradox, dass ich das als Vertreter einer Sportbekleidungsmarke erwähne, aber die ganze Misere mit billigem Fleisch in Massen, Unmengen an Plastikflaschen und auch die ständig wechselnden Trends in der Bekleidungsbranche haben wir uns selbst eingebrockt, weil wir immer mehr wollen. Wie viele Übergangsjacken, Hosen, die wir nie tragen, und insbesondere Sportbekleidung verstauben in unseren Schränken? Dabei geht es häufig nur um Besitz und nicht um Nutzung. Wir werden mittlerweile von Trends und vor allem von Preiswettbewerben und personalisierter Werbung beeinflusst. Dadurch gewöhnen wir uns an minimalste Preise und schrecken bei realistischen, durchdachten Preisen zurück. Wer einmal ein Steak für einen Euro gekauft hat und die Laufhose für 12 Euro, der möchte nie wieder zurück. Aber ich kann genau erklären, wer den versteckten Preis dafür bezahlt: unterbezahlte, oft minderjährige Arbeitskräfte vor Ort, verschmutztes Abwasser aus den Fabriken, Chemikalien in den Produkten und Mikroplastik in der Umwelt. Es gibt viele Faktoren, durch die der Preis eines Produkts gedrückt werden kann. Und genau diese Faktoren sorgen dafür, dass ein Produkt, das aus ökologischen und ethischen Gründen hergestellt werden soll, nicht so billig wie möglich angeboten werden kann.

Deshalb sollten Käuferinnen und Käufer sich durch den Dschungel von Versprechungen und falschen Siegeln kämpfen, um nach und nach zu erkennen, was wirklich nachhaltig ist, wo man möglicherweise nur für den Namen zahlt, wo das Sparen sich vielleicht nicht lohnt, weil man letztendlich doppelt zahlt oder jemand einem nur Falsches verspricht. Und ebenso – wie bereits erwähnt – sollten sie überlegen, ob sie die neue Hose, das neue Shirt überhaupt brauchen. Macht es mich schneller? Ist der Wald mein Laufsteg? Tut es nicht auch noch die alte? Habe ich nicht schon drei Windjacken? Bewusster Konsum ist der beste Weg, Geld zu sparen und Produkte zu wählen, die möglicherweise mehr kosten, aber länger halten und ökologisch und ethisch unbedenklich sind.

 

 

Wie siehst du in diesem Kontext die Rolle von runamics?

Wir haben trotzdem den Anspruch für unsere Konsument*innen so günstig wie möglich im Verkauf zu sein ohne dabei vom selbst gesetzten ökologischen und ethischen Anspruch abzurücken. Jede Preisgestaltung bedeutet also drei Faktoren: Als unverrückbaren Posten die Kosten der Produktion- daran rütteln wir nicht. Dann unsere Marge und den Preis für Kund*innen. Und bei letzterem kommt das soziale Gewissen mit herein: Welchen Preis finden wir noch vertretbar, wenn wir möchten, dass sich möglichst viele Menschen runamics leisten können?
Bei jedem Produkt schauen wir seit einiger Zeit, wie wir es besser machen können. Sowohl im design aber auch im Punkt der Nachhaltigkeit. Das entwickelt sich manchmal im Team zu einer Art Ping Pong Spiel, weil der eine Faktor den anderen beeinflusst. Noch höhere Kreislaufansprüche wie cradle to cradle lassen den Preis steigen oder wir müssen im Material und Design Abstriche machen. Auch wenn wir zum Teil unterschiedliche Ansprüche haben, wollen doch alle zusammen das beste Produkt machen, meistens ist es somit eher bereicherndes Steigern. Wir haben aber neben den eigenen Produkten auch die Mission Menschen aufzuklären.
Runamics versteht sich als impact startup, der maximale Gewinn ist nicht das primäre Ziel. Stattdessen sehen wir uns als Lösung für ein stetig wachsendes Problem und dieses Problem ist auch entstanden, weil Menschen sich nicht mehr auskennen, resigniert haben, von Nachhaltigkeitsversprechen enttäuscht oder geblendet sind. Unser Ziel ist es deshalb auch immer viel aufzuklären und zu informieren. Wir wollen die Machete im Dschungel sein und gemeinsam mit investigativen Journalist*innen und Partner NGOs darüber aufzuklären, was es so undurchschaubar macht. Vielleicht gelingt es uns so, dass Vertrauen in einen Teil der Modebranche zurückzugewinnen, damit man irgendwann zwischen denen unterscheiden kann, die wirklich Veränderungen wollen und denen, die das nur vorgeben um noch mehr zu verkaufen.

 

Wenn deine Träume wahr werden könnten, wie würde Laufen in der Gesellschaft in Zukunft stattfinden?

Ohne Grenzen und mit dem absoluten Fokus Spaß. Das kann natürlich bedeuten, dass der Spaß darin liegt, die eigenen Grenzen zu überschreiten oder die Grenzen des Machbaren. Aber es kann eben auch bedeuten- und beides möchte ich gleich behandelt sehen- dass nicht kompetitiv Laufen als wichtig gesehen wird. Politik, Krankenkassen, Ärzte*innen, Eltern und Schulen sehen die Kraft die Sport in Menschen für ihre seelische und körperliche Gesundheit auslösen kann und beginnen endlich den (Lauf-)Sport mit der nötigen- auch finanziellen- Unterstützung wertzuschätzen.
Eigentlich ist es völlig absurd, dass Sport nicht fester Bestandteil unserer Arbeitswelt ist: Vorgesetzte müssten die enormen Vorteile von gesunden, ausgeglicheneren und konzentrierteren Arbeitnehmenden viel mehr zu schätzen wissen und den Sport deshalb fördern- was auch bedeutet, dass es als Teil der Arbeitszeit angesehen wird und nicht parallel dazu wegorganisiert werden muss.
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